146, Alles in Ordnung, von wegen!

VonSivic

8. Oktober 2014

Was der ORF euch verschweigt, präsentiere ich euch erste Reihe Fuß frei, denn ein nicht unwesentlicher wenn vielleicht auch “eher” symbolischer Schritt wurde heute im Süd-Tiroler Landtag gemacht.

Willkommen bei der 146. Ausgabe von Sivics Blog mit geballter Ladung.

Noch vor ein paar Wochen ermahnte mich ein Freund wegen meiner Unterstützung der Süd-Tiroler Freiheit, er meinte dass es den Süd-Tirolern gut ginge und es keine Probleme gebe und ein anderer Freund von mir ermahnte mich ebenfalls bezugnehmend auf die Aussagen des ersten Bekannten, insbesondere wegen meiner Aktivitäten in Triest. Besagter Freund ist mit einer Süd-Tirolerin verheiratet und meinte das man Geld bekommen hätte und der italienische Staat durch das Autonomie-Dekret eine Wiedergutmachung geleistet hat, die Sache wäre erledigt.

Soviel zu dieser Betrachtung die ohne jeden Zweifel ihre Berechtigung und teilweise Gültigkeit hat. Insbesondere die Tatsache dass im Süd-Tiroler Landtag 10 Abgeordnete dezidiert für die Selbstbestimmung eintreten (Unabhängigkeit), zeigt dass sich hier aber doch etwas bewegt, dass ist nach wie vor die Minorität, schon klar aber krieg so etwas mal hin bei 35 Abgeordneten.

Aber spätestens seitdem im August bekannt wurde dass Italien den Brennerbasistunnel aus der Liste der bevorzugten Infrastrukturprojekte gestrichen hatte, stehen viele Dinge auf der Kippe. Insbesondere stellt sich derzeit die Frage ob trotz nun mehriger Zusage Italiens Geld zu investieren, Österreich am Ende nicht die Zeche alleine zahlen soll, auch so ein Thema was nach einem Bumserer in der öst. Medienlandschaft verschwunden ist.

Und wie mein Freund mir den heutigen Beschluss des Süd-Tiroler Landtags erklären will, dass muss ich ihn erst einmal fragen, wer weiß vielleicht ließt er auch diesen Artikel und sagt es mir dann…

Bitte gehen Sie weiter es gibt nichts zu sehen:

Video: Leslie Nielson alias Frank Drebin hat es vorgemacht, 
etliche Politiker und Medien machen es nach.
Denn ausgerechnet in einem Landtag (dem Süd-Tiroler) des heiligen Land Tirol, oder besser gesagt der heutigen Europa Region Tirol, wurde heute folgendes beschlossen:

1)Der Süd-Tiroler Landtag unterstreicht, dass Süd-Tirol gegen den Willen der Bevölkerung vom Vaterland Österreich abgetrennt wurde und bezeichnet die unfreiwillige Angliederung Süd-Tirols an Italien als Unrecht.

2)Der Süd-Tiroler Landtag bekennt sich zu den UN-Menschenrechtspakten und bekräftigt das in Artikel 1 verankerte Selbstbestimmungsrecht der Völker auch für Süd-Tirol.

Hört, hört, also alles in Ordnung, wirklich? Ich bezweifle das, der Antrag hatte als einen weiteren Punkt einen Entschließungsantrag inkludiert dass der Landtag die Landesregierung dazu legitimiert und verpflichtet Verhandlungen über ein Selbstbestimmungsreferendum aufzunehmen.
Ihr könnt euch vorstellen dass ausgerechnet die SVP (Süd-Tiroler Volkspartei) nicht sehr begeistert darüber war und diesen Antrag ablehnte.
Insbesondere als der Fraktionssprecher Sven Knoll (Süd Tiroler Freiheit) in seinem Schlusswort ansprach dass noch vor 3 Jahren der Süd-Tiroler Landtag die beiden vorher genannten Punkte ablehnte, war klar wenn nun die SVP um eine 10 minütige Pause der Sitzung bittet, da man sich beraten wolle, muss jetzt etwas passieren.
Bild 2: Sven Knoll gibt das Schlusswort vor der Abstimmung seines Antrages für mehr Selbstbestimmung. 
 (Quelle: Süd-Tiroler Landtag Livestream, 8. Okt. 2014)
Zum Schluss kam ein hatschater Kompromiss raus, wie man das auf gut Alt-Wienerisch sagt. Denn wie wollen Abgeordnete der größten deutschsprachigen Partei im Süd-Tiroler Landtag es ohne Abmahnung rechtfertigen dass die SVP die eben als die Partei gilt die das Autonomierecht auf Schiene brachte, es billigt dass das Königreich Italien als Folge eines am Ende erfolgreich geführten Angriffskrieges Süd-Tirol annektierte.
Aufgrund des medialen Drucks den die Freiheitlichen und die Süd Tiroler Freiheit mittlerweile machen können und weil sie eben ein Viertel der Abgeordneten stellen, kann man Sie nicht mehr solche Dinge nicht mehr so ignorieren, wie es noch zu Zeiten der absoluten Mehrheit der SVP möglich war. Und auch der Volkspartei ist klar dass nach der nächsten Wahl 2018 (welch ein Zufall 😉 ) es nicht mehr reichen wird mit der PD (Böse Zungen sagen auch Post-Demokraten) zu koalieren um die Regierungsmehrheit zusammen zu bringen. Auch die eigenen Abgeordneten wie Frau Dr. Martha Stocker sind für die Wiedervereinigung, auch wenn Sie sich für einen ihrer Meinung nach realistischeren Ausbau der Autonomierechte einsetzt.
Vor der Abstimmung ging es dementsprechend heiß her, insbesondere das Aufkommen des Begriffes Alto Adige (Süd-Tirol auf ital.) sorgte für eine kurze nicht gerade emotionslose Diskussion, auch wenn die Regierungsparteien sich bewusst bedeckt hielten und versuchten die Sache runter zuspielen. Nüchtern und mit kühlen Kopf da durch zu gehen, schaut definitiv anders aus.
 
 Bild 2: Pius Leitner von den Freiheitlichen über die Thematik der Autonomie.
(Quelle: Süd-Tiroler Landtag Livestream, 8. Okt. 2014)
Der Fraktionssprecher Pius Leitner von den Freiheitlichen wurde hier recht deutlich, als er meinte dass die Autonomieregelungen immer weiter ausgehöhlt werden würden, insbesondere weil realpolitisch nur noch 70% der Steuergelder im Land bleiben (statt 90 wie es des Autonomiestatut vorsieht), auch die heute abgelehnte Offenlegung des Anteils Süd-Tirols an den italienischen Staatsschulden zeigt, dass hier praktisch gesehen nicht alles so barrierefrei abläuft wie es der gemeine Österreicher vermuten würde. 
Insbesondere dass die Landesregierung nicht einmal mehr das Recht hätte ohne Rücksprache mit Rom eine Schießerlaubnis zu geben wenn ein Bär Vieh reißt, brachte die Sache auf dem Punkt. Es lebe der Umweltschutz!
Selbst der internationale Vergleich (Schottland, Katalonien) und dass hier Süd-Tirol nach hinke, kam zur Sprache und wurde von der jeweiligen Seite (Opposition und Regierung), präsentiert, respektive auseinander genommen.
Was wollen die Süd-Tiroler eigentlich?
Was auffällt ist, das seit etlichen Jahren eine sehr lebendige Diskussion über dieses brennende Thema läuft, auch wenn die meisten Medien diese als Dauer-Brenner-Kampagne (welch ein Wortspiel) dem rechten Lager zuordnen wollen.
Insbesondere in Österreich entzieht man sich bewusst dieser Debatte, das würde in manchen Punkten ein Ende der politischen Nachkriegsordnung bedeuten und nicht zuletzt auch die Rechte der nicht deutschsprachigen Minderheiten bei uns deutlich in den Fokus der Öffentlichkeit stellen, einer solchen Diskussion will man sich nicht zuletzt auch wegen der eigenen Unfähigkeit entziehen.
Das ist halt das Problem der Schönwetter- und “Grüß Gott-Politiker in diesem Land, “denn Verantwortung sollen doch bitte andere übernehmen”.
Video 2: Süd Tirol am Scheideweg?
Durch meine Kontakte die in den Süd-Tiroler Landtag hineinreichen, weiß ich dass z.B. die Forderung der Freiheitlichen eines Freistaats Süd Tirol noch viel Spielraum offen lassen, die wissen wohl selbst nicht genau was sie damit wollen, hier geht es eher um die Abgrenzung von anderen politischen Parteien (ich sage bewusst nicht Gegner), wobei in Video 2 erklärt die Abgeordnete Ulli Mair sehr gut was damit gemeint ist.
Landeshauptmann Arno Kompatscher sagte am Di. in einem Interview gegenüber der Kleinen Zeitung wiederum das Österreich sein Vaterland sei und er einen Ausbau der Autonomie will und vorantreiben will. Er sieht Süd-Tirol als auf der Reise befindlich und ist sich im Klaren darüber dass er insbesondere mit der angekündigten Staatsreform von Ministerpräsident Renzi gute Chancen hat, mehr für sein Landsleute herauszuholen, weißt aber nach wie vor auch darauf hin dass sie eine österreichische Minderheit in Italien sind, die sich nicht freiwillig Italien anschloss, sondern annektiert wurde, womit er die Entscheidung seiner Partei dem heutigen Antrag teilweise zustimmte schon Vorweg nahm.
Man hört die Süd-Tiroler würden sich nur die Butterseite vom Brot nehmen, weil die wollen gar nicht zu Österreich, haben so viel gefördert bekommen und außerdem drücken Sie sich vor der Wehrpflicht (zu mindestens dass kann ich in Einzelfällen bestätigen). 
Dass sind übrigens durchaus Fragen die ich demnächst in INSIDE POLITICS Sven Knoll persönlich fragen, wir treffen uns bei der Veranstaltung Weg mit der Unrechtsgrenze am Brenner-Pass, der ich in einer Doppelfunktion als Blogger und Delegierter von Trieste Libera, in Anwesenheit von etlichen Parteien, Gewerkschaften und auch Gruppen aus anderen Ländern und ehemaligen Kronländern beiwohnen werde.
Die derzeit realistischste Forderung um mehr Selbstständigkeit bezieht sich auf die derzeit mit Wien stattfindenden wichtigen Gespräche im Bezug auf die Möglichkeit einer Doppelstaatsbürgerschaft, die im Übrigen eine wesentlich breitere Zustimmung und damit die Mehrheit im Landtag genießt, als es derzeit ein Selbstbestimmungsreferendum hat.
Auch einzigartig in der Süd-Tirol Frage ist die Tatsache dass Österreich im Gegensatz zu Italien einen eigenen Unterausschuss für die autonome Region installiert hat, der sich genau mit dieser Frage beschäftigt.
Der Vorschlag der Doppelstaatsbürgerschaft bezieht sich unter anderem auf den Sonderfall Dreizehnlinden (portu.: Treze Tílias ), eine “Kolonie” in Brasilien in die überwiegend Tiroler durch Förderungen der Republik Österreich in den 30er Jahren ausgewandert sind. Deren Nachfahren dürfen bis heute -sofern Sie es wollen- die öst. Staatsbürgerschaft beantragen und diese parallel zu ihrer brasilianischen Staatszugehörigkeit führen, dieses Angebot nutzt übrigens ein Großteil der örtlichen Bevölkerung (ca. 6000 Personen), was auch dazu führte dass es in dieser Ortschaft ein österreichisches Konsulat gibt.
Daher ist man bemüht auf dieser Basis eine Regelung einzuführen die es Nachfahren von Personen ermöglicht die vor dem 10. Oktober 1920 geboren wurden die österreichische Staatsbürgerschaft zu geben, dass dies die Tür für andere Völker der Monarchie wie etwa die Triestiner eines sind, aufstoßen könnte, ist wohl klar. 
Etliche Landtagsabgeordnete in Bozen rechnen damit dass ca. 90% der Süd-Tiroler Bevölkerung dieses Angebot wahrnehmen könnten, einer der Gründe warum die SPÖ diesem Antrag ablehnend gegenüber steht, nicht zuletzt auch deswegen weil die Staatsbürgerschaft ja auch das Wahlrecht mit sich bringt und die Roten befürchten dass sie in Süd-Tirol keine Wähler mobilisieren könnten. 
Zum Einen, selber Schuld wenn man keine Partei vor Ort gründet, wie es andere getan haben. Zum Anderen, schauts mal ins Geschichtsbuch, waren es rote oder schwarze Kanzler die die Autonomie auf Schiene gebracht haben und wer jetzt sagt Kreisky war ÖVP’ler möge nochmal die Schulbank drücken, am besten die einer Wiener-Bildungsanstalt.
Im Übrigen sind auch die Grünen dagegen, dass ist die Partei die mit der SNP (Scotish National Party) eine Fraktion im EU-Parlament bildet, die wollen das nicht. Auf die Frage hin, was Prof. Van der Bellen dann trotz Ablehnung der doppelten Staatsbürgerschaftsinitiative für Süd-Tirol davon halte, dass Fr. Mag. Maria Vassilakou (Wiener Vize-BürgermeisterIn) selbst zwei Staatsbürgerschaften besitzt, weil in Griechenland der Verzicht auf die Staatsbürgerschaft nicht möglich ist, soll er lapidar und überrascht zugleich, “Das habe ich so noch gar nicht in Betracht gezogen“, gesagt haben.
Ja für uns Außenstehende ist das alles nicht so einfach zu begreifen, fix ist nur dass nichts fix bleibt, außer dass wir alle einmal sterben und selbst danach geht das Leben weiter.
Österreich ist eben mehr als nur ein deutsch sprechender Kleinstaat, es ist und bleibt eine Idee- und Willensnation, aus der Idee ist immerhin die Europäische Union geschlüpft. 

VonSivic

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