Verfassungsgerichtshof: Kein Medienprivileg beim Datenschutz

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Bei der Einführung der Datenschutzgrundverordnung (DSGVO) sorgte die damals diskutierte Auskunftspflicht für Medien zu entsprechender Aufruhr in der Branche. Die Politik beließ das bisher bekannte Medienprivileg und nahm Medienunternehmen und Mediendienste auf der DSGVO aus. Diese Ausnahme hat der Verfassungsgerichtshof (VfGH) nun als verfassungswidrig aufgehoben.

MEDIENPRIVILEG DARF MEDIEN NICHT VON DATENSCHUTZBESTIMMUNGEN ENTBINDEN

Das Medienprivileg war schon länger rechtlich strittig, die Abwägung des Rechts auf Meinungsfreiheit zu dem Recht auf Datenschutz ist selbst für Richter keine einfache Angelegenheit, hinzukommt das Redaktionsgeheimnis, welches ebenfalls nicht verletzt werden darf, da der Quellenschutz ein wesentlicher Bestandteil journalistischer Arbeit ist.

Seit der Einführung der europäischen Datenschutzgrundverordnung wurde der Anwendungsbereich den man gemeinhin als “Medienprivileg” bezeichnet, auch um  wissenschaftliche, künstlerische oder literarische Zwecke erweitert (siehe Wiener Zeitung vom 28.12.2017).

Nun hat der Verfassungsgerichtshof jedoch dem Antrag des Bundesverwaltungsgerichts folge geleistet und die derzeitige Befreiung von Medien vom Datenschutzgesetz als verfassungswidrig erkannt. Bis zum 30. Juni 2024 muss der Gesetzgeber nun eine neue Lösung finden, mit der ein verfassungskonformer Spagat zwischen Sonderregelungen für Medien und DSGVO möglich gemacht wird. Näheres in der Presseaussendung des VfGH.

VERFASSUNGSGERICHTSHOF – AUCH MEDIEN UNTERLIEGEN DEN DATENSCHUTZBESTIMMUNGEN

Es ist verfassungswidrig, Datenverarbeitungen durch Medienunternehmen, die zu journalistischen Zwecken erfolgen, gänzlich von den Bestimmungen des Datenschutzgesetzes auszunehmen. Dieser undifferenzierte Ausschluss („Medienprivileg“) verstößt, wie der VfGH festgestellt hat, gegen das Grundrecht auf Datenschutz.

Auslöser für die Entscheidung war, unter anderen, die Beschwerde eines Mannes an die Datenschutzbehörde, dessen Visitenkarte ungeschwärzt in einem Beitrag und in Bildaufnahmen über eine Hausdurchsuchung auf der Homepage eines Medienunternehmens zu sehen gewesen war. Die Datenschutzbehörde wies die Beschwerden gegen die Veröffentlichung personenbezogener Daten durch Medienunternehmen „wegen Unzuständigkeit“ zurück. Gegen die Zurückweisung beschwerte sich der Mann beim Bundesverwaltungsgericht, das daraufhin beim VfGH beantragte, das Medienprivileg als verfassungswidrig aufzuheben.

§ 9 Abs. 1 des Datenschutzgesetzes (DSG) sieht vor, dass das DSG sowie näher bezeichnete Teile der EU-Datenschutz-Grundverordnung (DSGVO) auf journalistische Datenverarbeitungen durch Medieninhaber, Herausgeber sowie Mitarbeiter eines Medienunternehmens oder Mediendienstes nicht anzuwenden sind.

Medien prinzipiell von der Anwendung des DSG auszuschließen widerspricht jedoch dem Grundrecht auf Datenschutz. Gesetzlich in den Datenschutz einzugreifen ist nämlich nur dann zulässig, wenn der Eingriff zur Wahrung überwiegender berechtigter Interessen eines anderen notwendig ist. Der Gesetzgeber ist also auf Grund des Grundrechts auf Datenschutz stets gehalten, eine Abwägung zwischen dem Interesse des Betroffenen am Schutz seiner personenbezogenen Daten und den gegenläufigen berechtigten Interessen eines anderen (z.B. eines Medienunternehmens) vorzusehen.

Medien nehmen in einer demokratischen Gesellschaft als „public watchdog“ eine zentrale Rolle im öffentlichen Interesse wahr. Die Meinungs- und Informationsfreiheit erfordert daher Ausnahmen vom Datenschutz, wenn die Datenschutzbestimmungen mit den Besonderheiten der Ausübung journalistischer Tätigkeit nicht vereinbar wären. Auch könnte der Gesetzgeber für Medien erhöhte Anforderungen an die interne Organisation, Dokumentation und technische Sicherung der verarbeiteten Daten vorsehen.

MEINUNGSÄUßERUNGS- UND INFORMATIONSFREIHEIT MÜSSEN MIT DATENSCHUTZ IN EINKLANG GEBRACHT WERDEN

Das Grundrecht auf Datenschutz erlaubt es jedoch nicht, prinzipiell der Meinungsäußerungs- und Informationsfreiheit für Tätigkeiten, die zu journalistischen Zwecken ausgeübt werden, den Vorrang vor dem Schutz personenbezogener Daten einzuräumen. Der Umstand, dass Datenschutzverletzungen durch journalistische Datenverarbeitungen mitunter nach medienrechtlichen oder zivilrechtlichen Bestimmungen vor den ordentlichen Gerichten bekämpft werden können, ändert nichts daran, dass es verfassungswidrig ist, journalistische Datenverarbeitungen von den speziellen datenschutzrechtlichen Garantien überhaupt freizustellen.

§ 9 Abs. 1 DSG ist daher verfassungswidrig. Die Aufhebung dieser Bestimmung tritt mit Ablauf des 30. Juni 2024 in Kraft. Bis dahin hat der Gesetzgeber Zeit, eine entsprechend differenzierte Neuregelung zu treffen.

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