Die Bundesregierung schaltet seit Beginn der Corona-Krise in den heimischen Medien täglich Aufrufe im öffentlichen Interesse. Im ORF werden die Corona-Spots kostenlos ausgestrahlt, im Privat-Radio und -TV bezahlt man dafür, obwohl dies rechtlich nicht vorgesehen wäre. Bundeskanzler Kurz sieht dies als Maßnahme in Verbindung zu den Medienrettungspaketen.

Am 28. Juli brachte der FPÖ-Abgeordnete Alois Kainz eine parlamentarische Anfrage zum Thema Corona-Spots (wir berichteten) ein. Der Fragenkatalog fußte auf einem Artikel von Inside Politics über die Corona-Informationskampagne der Bundesregierung aus dem April dieses Jahres. Denn im Gegensatz zu Zeitungen und Magazinen dürften Fernseh- und Radio-Sender während Krisenzeiten für Aufrufe im öffentlichen Interesse kein Entgelt erhalten. Als einziges Medium recherchierte Inside Politics, dass das Bundeskanzleramt privaten Radio und TV-Anstalten jedoch sehr wohl Geld für die Ausstrahlung der “Corona-Spots” bezahlt, der ORF schaltet die Beiträge hingegen gesetzeskonform kostenlos.

Corona-Sebastian Kurz-FPÖ
Bild: Bundeskanzler Kurz argumentiert die kostenpflichtige Schaltung damit, dass ein kostenloses Abrufen der Aufrufe die staatlichen Rettungsmaßnahmen ad-absurdum geführt hätte. (Quelle: Parlament.gv.at)

Zwei Monate später, am 28. September, folgte die Beantwortung durch Bundeskanzler Sebastian Kurz (ÖVP). Laut dem Bundeskanzler hätte das Beharren auf die kostenlose Ausspielung im Privat-Radio und -TV die Rettungsmaßnahmen zur Erhaltung der Medienvielfalt in Österreich (insgesamt 32 Millionen Euro) konterkariert und mehrere Unternehmen gefährdet.
Eine “Draufgabe” welche den Sendern bis Ende Mai 2,7 Millionen Euro an Einnahmen einbrachte. Da für diese Kampagne ein Gesamtbudget von 15 Millionen Euro vorgesehen ist, dürfte zwischen einem Drittel und der Hälfte der Ausgaben an Radio- und TV-Stationen gehen.

KOSTENLOSE SCHALTUNG DER CORONA-SPOTS HÄTTE WETTBEWERB VERZERRT

Kurz sah im kostenlosen Abruf kommerzieller Kommunikation (Werbung), angesichts der existenzbedrohenden Umstände am Werbemarkt, eine unverhältnismäßige Belastung für die Privatmedien. Daher verzichtete das Bundeskanzleramt darauf, um nicht zuletzt eine mögliche Marktverzerrung zum Vorteil des ORF zu verhindern.

“Das Abziehen von Mitteln von den durch die Krise hart getroffenen privaten Rundfunkunternehmen hätte zwischen diesen Marktteilnehmern und dem ORF zu einer ungebührlichen Wettbewerbsverschiebung geführt.”, so der Kanzler in seinen Ausführungen.

In der Anfragebeantwortung wurden einmal mehr die Finanzierungsmodelle von privaten und öffentlichen Medienunternehmen gegenübergestellt. Wobei Bundeskanzler Kurz ignorierte, dass alleine die privaten TV-Sender aus dem Privatrundfunkfonds pro Jahr 20 Millionen Euro an Programm-, Ausbildungs- und Studien-Förderungen aus den GIS-Gebühren erhalten, die wiederum zu einem überwiegenden Teil an den ORF fließen (650 Millionen Euro).

Bild: Laut Bundeskanzler Kurz kann der ORF die kostenlose Ausspielung der Corona-Spots besser verkraften als private Medien. (Quelle: Parlament.gv.at)

Das Argument von Kurz welches wiederum auf jenem des Bundeskanzleramtes fußt, stellte aber der Verfassungsjurist Prof. Dr. Heinz Mayer bereits im ersten Artikel zu diesem Thema im April infrage. Da nämlich die Finanzierung des ORF über eigens geschaffene Rundfunkgebühren, jedoch nicht über den Bundeshaushalt erfolgt, wäre aus Mayers Sicht die Benachteiligung des ORF so nicht argumentierbar.

WO KEIN KLÄGER, DA KEIN RICHTER

Ob dieses Vorgehen dennoch vor einem Gericht hält, bleibt abzuwarten, bislang gab es laut Auskunft des Kanzlers keine Beschwerden. In der Theorie könnte der ORF – trotz der Finanzierung durch die Rundfunkgebühren – aufgrund der offensichtlichen Ungleichbehandlung durch die Bundesregierung den Rechtsweg beschreiten – ein eher unwahrscheinliches Szenario wie eine Medienexpertin Inside Politics im Frühjahr wissen ließ.

So könnten aber auch Bürger sich bemüßigt fühlen Klage einzureichen. Denn es bleibt die Frage offen ob eine solche Maßnahme auf Kosten der Steuerzahler wirklich für die Rettung privater Medienhäuser notwendig war.

Damit stellt sich dennoch die Frage, ob das Gesetz selbst durch die Handlung der Bundesregierung ad-absurdum geführt wird und eine Streichung des Paragraphen sinnvoller wäre?

Denn es ist weder im Audiovisuellen Mediendienste-Gesetz (AMD-G) noch im Privatradiogesetz den Sendern verboten, für die Ausstrahlung Geld von den Behörden anzunehmen (Annahmeverbot), wenn diese von sich aus für die Leistung zahlen bzw. wie im Fall des Bundeskanzleramtes geschehen, die private Werbeagentur Wavemaker mit der Buchung der Ausstrahlungszeiten beauftragen. Jedoch muss die Behörde dieses Verhalten auch rechtlich begründen können, was aber wiederum nichts mit dem AMD-G zu tun hat.

Jedenfalls wurde hier ein Präzedenzfall geschaffen, welchen private Medien bei der nächsten großen Krise für sich nutzen könnten.

KOSTENLOSE SCHALTUNG VON AUFRUFEN IM ÖFFENTLICHEN INTERESSE SOLL WEITERHIN IM GESETZ BLEIBEN

Unabhängig von dieser Debatte und medial fast unbeachtet werden aktuell mehrere Mediengesetze novelliert. Bis zum 16. Oktober befinden sich Reformen zum Audiovisuellen Mediendienste-Gesetz, Privatradiogesetz und dem ORF-Gesetz in der Begutachtungsphase, zu der jeder Bürger Stellung beziehen kann.

Dabei soll die kostenlose Verbreitung von Aufrufen in Krisen- und Katastrophenfällen weiterhin im Gesetz bleiben, jedoch wird im Gesetzesvorschlag nun auch eine barrierefreie Gestaltung dieser Nachrichten gefordert.
Das heißt, dass künftig auch solche Aufrufe für sehbehinderte, blinde, gehörlose oder etwa geistig eingeschränkte Personen verständlich gestaltet werden müssten.

 

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Bild: Die Reform des AMD-G und anderer Mediengesetze liegt aktuell zur Begutachtung vor. Links der alte Text, rechts und gelb unterstrichen die neue Passagen bzgl. Aufrufen in Krisenzeiten. (Quelle: Parlament.gv.at)

Hinzu kommt, dass in die Sendeverpflichtung auch Abrufdienste (z.B. Videodienste von Zeitungen oder YouTube-Kanäle) eingebunden werden sollen und Plattformen wie YouTube oder Facebook in Zukunft solche Mitteilungen über einem Nutzerkanal überblenden dürften – ohne die Genehmigung des Kanal-Betreibers einholen zu müssen.

Der Mehraufwand für die barrierefreie Gestaltung der Spots soll im Gegensatz zur Verbreitung vom Auftraggeber übernommen werden. Da es sich aber – mit Ausnahme von der Barrierefreiheit – dabei rein um eine nationale und keine von der EU vorgegebene Bestimmung handelt, könnte die heimische Politik diese auch entsprechend abschaffen und somit Radiosender und audiovisuellen Medien etwa mit Zeitungen und Print-Magazinen gleichsetzen bzw. Ausnahmen schaffen.

SIVICS FAZIT:

Ob es hier also noch zu einer weitreichenden Reform kommt, bleibt offen.
Es bleibt aber die Frage, inwiefern ein Gesetz sinnvoll ist, welches – aus politischer Sicht – den Fortbestand der eigenen Medienlandschaft gefährden könnte und im Zweifel sowieso umgangen oder mit entsprechenden Maßnahmen ausgehebelt werden kann.

BIS BALD,
EUER SIVIC

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VonSivic

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